Mein letzter Tag in BostonDer letzte Tag hier ... war ein Sonntag.
Ich stand in der Früh auf und machte mich bereit in die Kirche zu gehen. Ich hatte zuvor aus der Internetseite der Kirche den "meetinghouse locator" verwendet, um die Adresse der nächsten Gemeinde herauszufinden. Am Vorabend fuhr ich auf dem Weg nach Hause dort vorbei, um sicher zu stellen, dass ich es auch finden würde.
Ich kam ca. 10 Minuten vor Beginn der Versammlung an und setzte mich hinten auf der Seite hin. Der Bruder der die Leitung hatte bemerkte mich und kam auf mich zu, um mich zu begrüßen. Ich stellte mich ihm natürlich vor, dann bekamen einige der herumsitzenden mit, dass ich zu Besuch war und kamen mich auch begrüßen, usw. Es war wirklich sehr freundlich.
Trotzdem hatte ich das Gefühl "inkognito" zu sein, und es gefiel mir. Als die Versammlung begann und wir das Anfangslied sangen, das bei uns auf Deutsch "O fest wie ein Felsen" heisst, war ich auch sehr bewegt. Ich dachte darüber nach warum ich wohl hierher zum Gottesdienst gekommen war. Und innerlich wusste ich: ich bin gekommen, um den Herrn zu preisen! Und das war der einzige Grund.
Zu Hause ist das natürlich auch der Hauptgrund warum man in die Kirche geht. Aber zweifelsohne spielt auch eine Rolle, dass man eine Aufgabe hat und man auch deshalb zur Kirche geht, um diejenigen nicht hängen zu lassen die auf einen zählen. Weiters hat man Freunde in der Heimatgemeinde, es gibt also auch einen gewissen sozialen Aspekt des Kirchenbesuchs.
Hier hatte ich weder das eine noch das andere, uns so wurde mir innerlich sehr stark bewusst, dass ich rein zu dem Zweck hierher gekommen bin den Herrn zu preisen. Und ich genoß dieses Gefühl.
Die Gemeinde war recht groß, ich würde schätzen ca. 220 Anwesende. Die überwiegende Mehrheit waren junge Ehepaare die hier studieren oder in irgendeiner Form mit den Universitäten in Verbindung stehen. Lag sicherlich auch daran, dass diese Gemeinde mitten drinnen zwischen der Harvard Universität und MIT gelegen war.
Mir fiel ein hoher Lärmpegel auf ... ABER ... es war kein Erwachsenenlärm, sondern Kinderlärm. Ich schaute in die Menge und zählte rund 25 Kinder unter geschätzten 3 Jahren. Eh klar, wenn es so viele junge Familien in einer Gemeinde gibt. Ich dachte daran wie Christus sagte man solle die Kinder zu ihm kommen lassen und fühlte mich wohl. Ich bemerkte aber - wie gesagt - dass es keinen Erwachsenenlärm gab, d.h. keine Unterhaltungen liefen neben den Ansprachen nebenbei her, und das beeindruckte mich.
Mir fiel auch auf, dass die Leute nicht sangen, sondern flüsterten. Das können wir in Österreich in der Kirche eindeutig besser! :-)
In der Abendmahlversammlung ging es um Missionsarbeit. Der Schlußsprecher war der Bruder der als Gemeindemissionsleiter dient. Er erzählte, dass er zwar auch ein post-graduate an der Harvard Business School macht, aber er sei auch hier von der Gegend. Er erzählte davon, dass er sich erinnern kann als er ein Kind war gab es nur einen Pfahl im Großraum Boston, und heute gibt es fünf Pfähle. Ich schätze er war nicht viel älter als 30, vielleicht knapp darüber, also sprach er von etwas das in den letzten 20-25 Jahren passiert war. Ich hoffe unsere Kinder können als Erwachsene erzählen sie erinnern sich daran als es im Großraum Wien nur einen Pfahl gab, und dann wird es fünf oder mehr Pfähle geben.
Dieser Bruder erzählte er hatte als Missionar in der Deutschland - Frankfurt Mission gedient. Bevor er auf Mission ging hatte ihn ein Freund, der kein Mitglied der Kirche war, gefragt warum er wohl nach Deutschland als Missionar geht. Er meinte Missionare sollte man dort schicken wo die Leute verhungern und man was machen kann. Er sagte er habe damals diesem Freund spontan geantwortet: "Ja, das tut unsere Kirche auch. Aber wir glauben, dass es überall in der Welt Menschen gibt, die geistig am Verhungern sind. Deshalb schicken wir in alle Länder Missionare". Ich fand dies war eine sehr inspirierte Antwort.
Tja ... dann blieb ich zur Sonntagschule und auch zur Priesterschaft ... und ging zurück ins Hotel, um mich umzuziehen und auszuchecken.